Interessant, wie Vereine dieser Art das eigentlich löbliche Motto, die Krise als Chance zu sehen, auf ihre mitunter hanebüchenen Ziele ummünzen und dafür die Welt von den Füßen auf den Kopf stellen. Nach Ansicht von FUSS e.V. gibt es „keine effektivere und kostengünstigere Fortbewegungsart für den Nahbereich der Kommunen“. Dass der „Anteil der Fußgänger in den Städten stagniert“ oder sogar abnimmt, liegt nach dieser Weltsicht an den „Konflikten mit den anderen Verkehrsarten und den häufig unkomfortablen Gegebenheiten“. Dabei wird natürlich die Realität ausgeblendet: Dass mittlerweile beispielsweise die halbe Frankfurter Innenstadt eine einzige Fußgängerzone ist und zudem die Zahl der Verkehrstoten in den letzten Jahren kontinuierlich schrumpft, passt so gar nicht zu diesem Szenario. Am spannendsten ist aber die Logik, dass wir, um unsere Mobilität nicht einschränken zu müssen, wohl nicht umhinkommen, unsere Mobilität einzuschränken.
Ökologisches Denken in Reinform: Man nehme eine Krise, vergegenwärtige sich deren Folgen (Menschen können sich Mobilität immer weniger leisten), setze diese mit allgegenwärtigen Horrorszenarien in Beziehung (Klimawandel) und erhebe Rückschritt kurzerhand zu einem erstrebenswerten Ziel (weniger Mobilität ist gut für die Umwelt). Das waren noch Zeiten, als unser Erfahrungshorizont nicht weiter reichte als bis zum nächsten Nachbardorf. Ob so unsere Gesellschaft wieder auf die Füße kommt? Muss sie ja nicht, denn Fortschritt könnte ja die Menschen dazu verleiten, aufs Neue Mobilitätsansprüche und Neugier auf die Welt zu entwickeln, für die Schusters Rappen nicht ausreichen.
Erschienen in: NovoArgumente Nr. 107 (7-8 2010)