Anlässlich der Internet-Konferenz re:publica, die Anfang April in Berlin stattfand, wurde wieder viel über die Zukunft des Bloggens und des Journalismus geschrieben, diskutiert und gestritten. Interessante Einblicke gewährte das Gespräch von Michael Miersch mit Alan Poesner (Welt am Sonntag) sowie prominenten Bloggern wie Henryk M. Broder (achgut.de) und dem Mitbegründer des Perlentauchers, Thierry Chervel („Sind Blogs die ‚Klowände des Internets‘?“ in: Welt Online, 1.4.09, welt.de). In ihren Statements skizzierten sie den farcehaften Konflikt zwischen Journalisten und Bloggern, der einzig durch den Qualitätsmangel beider Genres am Leben erhalten wird. Deutlich wurde, dass Bloggen heute ein Allerweltshobby und mitnichten ein Privileg einer Informationselite darstellt: „Das Internet kam mir vor wie ein Pionierland“ (Chervel). „Das Internet ist voller Loser, Bruchpiloten und Halbanalphabeten, die sonst keine Bühne finden würden. Andererseits sind 90 Prozent der Zeitschriften, die am Kiosk ausliegen, auch Schrott“ (Broder). „Blogs sind ein selbstreferentielles Nischenphänomen, allerdings ist das auch der Print-Journalismus“ (Posener).
Posener beschrieb die hämischen Kommentare über Blogger als nicht gerechtfertigte Angstreaktionen. Schließlich könne sich nur ein großes Unternehmen Journalisten leisten, die sich zu Experten hocharbeiteten, ihnen könnten Blogger nicht das Wasser reichen. Womit er recht hätte – wenn sich Medienunternehmen tatsächlich echten Journalismus leisten würden. Zu Recht verwies Chervel auf den miserablen Zeitungsjournalismus während des Georgienkrieges und merkte an, dass „die besten Informationen in Wikipedia zu finden“ gewesen seien.
Ob dies allein darauf zurückzuführen ist, dass es, wie Chervel anmerkte, „kein Geschäftsmodell für den Journalismus“ gibt, darf allerdings bezweifelt werden. Denn das Phänomen, das viele Journalisten selbst zunehmend wie die viel gescholtenen Blogger denken und arbeiten, ist nicht erst seit den Sparmaßnahmen der Medienkonzerne zu beobachten. Tatsächlich fungierte der Verfall journalistischer Standards selbst als „Geburtshelfer“ der Blogosphäre als Hort des „demokratischen Bürgerjournalismus“. Gerade im Journalismus hat die zunehmende Perspektivlosigkeit und Lähmung der Gesellschaft deutliche Spuren hinterlassen, sowohl, was die eigene inhaltliche Positionierung, als auch, was das eigene Rollenverständnis anbelangt. Wenn Journalisten die Ansprüche an die eigene Arbeit nicht aus eigenem Antrieb heraus verteidigen, wird die Beschimpfung von Blogs als „Klowände des Internets“ hohl bleiben, und Zeitungspapier wird künftig in erster Linie an demselben stillen Örtchen Verwendung finden.
Erschienen in Novo100/101 (5-8 2009), www.novo-argumente.com