„Sie haben Kenntnis über einen Fall der Steuerhinterziehung? Sie besitzen vielleicht sogar Beweise? Sie möchten ganz leicht viel Geld aus diesem Wissen schlagen? Dann sind Sie hier richtig. ...Wir werten Ihre (anonymisierten) Beweise aus und bieten Ihr Wissen den Finanzbehörden an. ... Von den erzielten „Belohnungen“ behalten wir lediglich einen Anteil von 15 Prozent – der Rest ist für Sie.“ So wirbt das in Hagen ansässige Unternehmen Steuerverrat GbR (steuerverrat.de) um neue Kunden. Und dass man hier an schnelles Geld kommt, wird ebenfalls, wenn auch nicht garantiert, so doch als sehr wahrscheinlich beschrieben: „Im Fall der ‚Liechtenstein-DVD-Affäre‘ wurden 4,2 Mio. Euro Belohnung für 50 Mio. Euro Volumen (Quelle: Die Welt) bezahlt. Das entspricht 5000 Euro Belohnung für 60.000 Euro Hinterziehungssumme, oder 50.000 Euro Belohnung für 600.000 Euro.“ Dem surfenden Whistleblower wird es das Denunzieren leicht gemacht: Unter „Schnellmeldung“ kann man bequem und anonym anschwärzen, Beweise müssen hierfür erst einmal nicht vorgelegt werden. Die Tageszeitung Die Welt kommentierte am 14. Juni das Geschäftsmodell, das ganz neue Möglichkeiten bietet, um sich nur an seinem Chef, sondern auch am Ehepartner zu rächen, mit einem gefrierenden Lächeln: „Gefährlich sind auch betrogene Ehefrauen. Manche sind geduldig. Über Monate kopieren sie die Geschäftsunterlagen ihres Mannes und gehen damit eines Tages für den Gatten völlig unerwartet zum Finanzamt.“ Früher musste man sich noch ans Fensterbrett oder an den Türspion klemmen und geduldig darauf warten, bis der Nachbar etwas ausfraß, um ihn zu denunzieren. Dem modernen Blockwart, der sich obendrein als Verfechter des hohen Wertes der „Transparenz“ brüsten kann, genügt ein Mausklick, um der modernen Bürgerpflicht zu genügen. Wir warten auf Neugründungen wie „Fremdgängerfalle GbR“ oder das Kinderportal „Spicker-VZ“.
Erschienen in Novo96 (9-10 2008), www.novo-argumente.com