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Matthias Heitmann  Klartext

Bio-Grenzen dichtmachen! Europa den Europäern!

Es geht ein Gespenst um in Europa, das Gespenst der biologischen Überfremdung des Kontinents durch den ungezügelten Zuzug fremder Tiere und Pflanzen. In der April-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science beschrieben Wolfgang Nentwig von der Universität Bern und Kollegen in ihrem Artikel „Will Threat of Biological Invasions Unite the European Union?“ die Hoffnung, dass der uneinige Kontinent durch gezielte gemeinsame Aktionen gegen gebietsfremde Arten, die in den letzten Jahrhunderten eingewandert seien, vielleicht zu sich selbst und damit zur lang ersehnten europäischen Einheit finden könnte.



Die Forderung der Forscher ist sinnbildlich für den geistigen Zustand Europas und die Verzahnung irrationaler Ängste mit ökologistisch-naturalistischem und ahistorischem Gedankengut: Wenn der Grad an Bedrohungsempfinden einer Bevölkerung ihren inneren Zusammenhalt stärken würde, dürften die Europäer sich eigentlich nicht über mangelnde Geschlossenheit beklagen können. Tatsächlich geht aber mit der irrationalen Angstkultur eine zunehmend zusammenhalt- und orientierungslose Gesellschaft einher.


Dass den „Schäden“, die durch die „Bio-Invasion“ entstehen, um ein Vielfaches größere Vorteile gegenüberstehen, kann in diesem Denken keinen Raum einnehmen. Man kann nur froh sein, dass diese europäische Kontrollinstanz zur Verhütung der biologischen Überfremdung in der Vergangenheit nicht existierte, denn ihr wären so gut wie all unsere Grundnahrungsmittel zum Opfer gefallen: Kartoffeln, Mais, Reis, Weizen, Roggen, Tomaten, Gurken, Kohl- sowie zahlreiche Zwiebel- und Laucharten sind allesamt exterritoriale Fremdlinge, die in der ur-europäischen Flora nicht vorkamen.


Was aber noch viel zentraler erscheint: Ein vor biologischer Überfremdung geschützter Kontinent könnte kein Personal stellen, das die Artenvielfalt kontrolliert, schließlich stammt das Europa wie kein anderes Lebewesen prägende Geschöpf, wissenschaftlich als „homo sapiens“ bezeichnet, aus Afrika.



Erschienen in Novo100/101 (5-8 2009)